lunedì
2 December, 2024

ALLGEMEINE REGELN

UND KONSTITUTIONEN DER

KONGREGATION DER MISSION

VINZENZ VON PAUL

Generalsuperior der Kongregation der Mission   unseren   in    Christus   geliebten Brüdern dieser Gemeinschaft, den Priestern, Klerikern und Brüdern, Gruß im Herrn!

Das sind endlich, liebe Brüder, die Allgemeinen Regeln oder Konstitutionen unserer Kongregation, auf die Ihr schon so lange und so sehr wartet. Es sind allerdings rund dreißig Jahre seit der Gründung unserer Kongregation verflossen, bevor wir sie drucken ließen, aber wir taten das, um so unseren Erlöser Jesus Christus nachzuahmen, der handelte, bevor er lehrte (vgl. Apg 1,1), aber auch, um allen möglichen Unannehmlichkeiten zu begegnen, die zweifellos aus der frühzeitigen Herausgabe der Regeln oder Konstitutionen entstanden wären So hätte sich ihre Anwendung und Übung im nach hinein als zu schwierig oder als weniger zweckmäßig herausstellen können. Aber unsere zögernde' Handlungsweise hat uns mit der Gnade Gottes von diesen Gefahren bewahrt, ja sie hat sogar bewirkt, daß die Gemeinschaft sich in die Regeln vor ihre Herausgabe allmählich und reibungslos einlebte. Ihr werdet darin nämlich nichts finden, was Ihr nicht schon längst übt, und zwar zu unserer größter Freude und zur gegenseitigen Erbauung. Nehmen sie daher, liebe Brüder, mit derselben Liebe entgegen, mit der wir sie Euch übergeben. Betrachtet sie nicht so sehr als ein Produkt des menschlichen sondern als Ausfluß des göttlichen Geistes, von dem alles Gute kommt (Jak 1,17) und ohne den wir zu nichts fähig sind, als ob wir uns selbst etwa zuschreiben könnten (2 Kor 3,5). Denn Ihr werdet darin nur finden, was Euch zur Unterlassung des Bösen, zum Erwerb der Tugenden und zur Ausübung der Lehren des Evangeliums anhält. Deshalb waren wir bemüht, sie, soweit möglich, aus dem Geiste Jesu Christi und aus seiner Handlungsweisen abzuleiten, wie man leicht sehen kann; denn wir dachten, daß Männer, die zur Fortsetzung der Sendung Christi, nämlich zur Evangelisierung der Armen  berufen  sind,  von seinem Denken und Sinnen, ja von demselben Geist wie er beseelt, auf seinen Spuren wandeln müßten.

Darum bitte ich Euch dringend, liebe Brüder, in unserem Herrn Jesus, Euch genau an diese Regeln zu halten in der Gewißheit, daß, wenn Ihr die Regeln haltet, diese auch Euch halten und Euch schließlich zum ersehnten Ziel, nämlich zur himmlischen Glückseligkeit führen. Amen.

Jesus,  Maria, Josef

ALLGEMEINE REGELN DER KONGREGATION DER MISSION

I. Kapitel

Ziel und Verfassung der Gemeinschaft

1. — Unser Herr Jesus Christus, in die Welt gesandt, das Menschengeschlecht zu erlösen, begann nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift zu handeln und zu lehren (Apg 1,1). Das erste tat er dadurch, daß er alle Tugenden vollkommen übte, das zweite, daß er den Armen die Frohbotschaft verkündete und seinen Aposteln und Jüngern die für die Leitung der Völker notwendigen Lehren erteilte. Da nun die kleine Kongregation der Mission in ihrer Schwäche Christus den Herrn selbst sowohl in seinen Tugenden als auch in seiner Tätigkeit zum Heil des Nächsten nachahmen möchte, so liegt es nahe, bei der Ausführung dieses heiligen Vorhabens die gleichen Mittel anzuwenden.

Ihr Zweck ist also:

1. sich um  die eigene Vollkommenheit  zu

bemühen; indem sie nach Kräften die Tugenden  übt, in denen uns der göttliche Lehrer gnädig in Wort und Tat unterwiesen hat;

2. den Armen, besonders den Landleuten, die Frohbotschaft zu verkünden;

3. den Geistlichen zu helfen, sich die für ihren

Beruf notwendigen Kenntnisse und Tugenden anzueignen.

2. — Diese Gemeinschaft besteht aus Geistlichen und Laien. Aufgabe der Geistlichen ist es nach dem Beispiel Christi und seiner Jünger durch Städte und Dörfer zu ziehen und dort durch Predigt

und Katechese den Kleinen das Brot des göttlichen Wortes auszuteilen, Generalbeichten über das ganze verflossene Leben anzuraten und entgegenzunehmen, Streitigkeiten beizulegen und den Caritasverein zu gründen; ferner die in unseren Häusern errichteten Priesterseminare zu leiten um darin den Lehrberuf auszuüben und Exerzitien zu halten, die Diözesanpriester zu geistlichen Konferenzen

bei uns zu versammeln und diese zu leiten sowie ähnliche Tätigkeiten, die den genannten Aufgaben dienlich sind, zu übernehmen. Aufgabe der Laien ist es, die Priester in den genannten Aufgaben zu unterstützen, indem sie nach Weisung der Oberen den Dienst der Martha verrichten, und durch ihre Gebete, Tränen, Abtötungen und ihr gutes Beispiel mitwirken.

3. — Damit nun diese Gemeinschaft das Ziel, das sie sich gesteckt hat, mit Hilfe der göttlichen Gnade erreicht, muß sie sich mit allen

Kräften bemühen, den Geist Christi anzuziehen (vgl. Röm 13, 4), der vor allem in der Lehre des Evangeliums hervorleuchtet, in seiner Armut, seiner Keuschheit, seinem Gehorsam, in seiner Liebe zu den Kranken, in seiner Sittsamkeit, in der Lebens- und Handlungsweise,  die er den Jüngern vermittelte, im Umgang mit den Menschen, in den täglichen Übungen der Frömmigkeit, in den Missionen und anderen Aufgaben, die er für die Menschen übernahm. Dies alles ist in den folgenden Kapiteln enthalten.

II. Kapitel

Grundsätze des Evangeliums

1. — Suchen wir vor allem immer tiefer die Wahrheit zu erfassen, daß die Lehre Christi niemals täuschen kann, die Lehre der Welt aber immer trügerisch ist; denn Christus selbst versichert uns diese gleiche einem Haus, das auf Sand gebaut seine dagegen sei einem Gebäude zu vergleichen das auf festem Felsen gegründet ist (Mt 8,24—26) Deshalb soll die Kongregation immer nach den Grundsätzen Christi und niemals nach denen der Welt handeln. Hierzu muß sie besonders Folgendes beobachten.

2. — Christus sagt: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; dann wird euch all das, was ihr nötig habt, dazugegeben" (Lk 12,31) Darum soll man das Geistliche höher einstufen als das Zeitliche, das Heil der Seele höher als die körperliche

Gesundheit, die Ehre Gottes höher als die Eitelkeit der Welt. Ja, wir sollen lieber mit den heiligen Paulus Mangel, Schmach, Pein, Marter und sogar den Tod annehmen, als von der Liebe Christi getrennt zu werden (vgl. Röm 9,35—39). Deswegen wollen wir uns nicht um zeitliche Güter sorgen vielmehr unsere Sorge auf den Herrn werfen (1 Petr 5,7; Ps 55,23) in der festen Überzeugung daß wir unter dem Schutz Gottes, des Herrn des Himmels weilen (Ps 90,1), solange wir in diese Liebe verwurzelt sind (Eph 3,1). So wird uns kein Unheil begegnen (Ps 90,10), und es wird uns auch nichts fehlen, sollten wir auch glauben, es sei alles verloren.

3. — Ein sicherer und kurzer Weg die christliche Vollkommenheit zu erlangen ist es, immer und in allen Lagen den Willen Gottes zu erfüllen. Dies muß man sich zur Gewohnheit machen, indem man folgende

Punkte beobachtet:

1.        stets pflichtgemäß das Gebotene tun und das

Verbotene meiden, wenn klar ist, daß das Gebot von Gott, von der Kirche, von den Obern oder von den Regeln und Konstitutionen ausgeht;

2.        wenn es sich um sittlich Indifferentes handelt,

eher das wählen, was unserer Natur widerstrebt als was ihr angenehm ist, sofern nicht das, was ihr zusagt, notwendig ist. In diesem Fall muß man es vorziehen, aber nicht, weil es den Sinnen angenehm, sondern weil es Gott wohlgefälliger ist. Stehen aber mehrere indifferente Handlungen zur Wahl, dann entschließe man sich kurzerhand für eine in dem Gedanken, daß Gott sie uns nahelegt.

3.        Was uns unerwartet begegnet, sei es Glück oder Unglück, mag es den Leib oder die Seele betreffen, nehme man mit Gleichmut

an, da es ja aus der väterlichen Hand Gottes kommt.

4.        So sollen wir handeln, weil es Gott wohlgefällig

ist und um Christus, den Herrn, unseren Kräften entsprechend nachzuahmen. Er hat auch immer so gehandelt, und zwar in eben dieser Absicht, wie er selbst betont: „Ich tue immer, was ihm gefällt" (Jo 8, 29).

4.        — Christus, der Herr, verlangt von uns „Taubeneinfalt" (vgl. Mt 10,16).

Sie besteht darin, daß man die Dinge einfach sagt, wie sie in unseren Innern sind, ohne unnütze Erwägungen, und daß man ohne Verstellung und Berechnung einzig im Hinblick auf Gott handelt. In diesem Geist der Einfalt sollen wir also alles tun und dabei bedenken,

daß Gott gern mit den Einfältigen redet (Spr 3,32), daß er die himmlischen Geheimnisse vor Weisen und Klugen verbirgt, aber den Unmündigen offenbart (Mt 11,25).

5.        — Christus empfiehlt uns also die Taubeneinfalt, mahnt aber zugleich, damit die Klugheit der Schlange zu verbinden (Mt 10,15). Das ist die Tugend der Umsicht im Reden und im Handeln. So wollen wir das verschweigen, was zu offenbaren zu nichts  dient, zumal wenn es schon in sich schlecht und unerlaubt ist. Lassen wir bei allem was gut oder erlaubt ist, die Nebenumstände weg wenn sie gegen die Ehre Gottes sind, dem Nächsten schaden oder unserer Eitelkeit schmeicheln. Was das Handeln betrifft, so hat es die Klugheit mit den Mitteln zu tun, die man für die Erreichung eines Zweckes anwendet. Es sei bei uns heilige und unverletzliche Regel, im Dienste Gottes nur heilige Mittel anzuwenden. Betrachten und beurteilen wir alles nach der Gesinnung und dem Urteil Christi, und nicht nach dem Urteil der Welt, auch nicht nach dem schwächlichen Urteil unseres Verstandes, dann werden wir „klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben" sein (Mt 10,16).

6.        — Suchen wir vor allem in den Sinn der folgenden

Lehre Christi einzudringen: „Lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig" (Mt  11,29); denn durch Sanftmut gewinnt man die Menschen, so daß sie sich zu Gott hinwenden. Man erreicht das nicht, wenn man mit ihnen zu hart und zu rauh umgeht. Durch Demut aber gelangt man zum Himmel. Dorthin erhebt uns die Bereitschaft, uns selbst gering einzuschätzen, was uns stufenweise zu immer höherer Tugend führt, bis wir dort anlangen.

7.        — Um diese Demut, die Christus selbst uns so oft durch Wort und Beispiel empfiehlt, zu erwerben, muß sich die Gemeinschaft  alle Mühe geben. Das fordert dreierlei:

1. die ehrliche Überzeugung, daß wir die Verachtung

der Menschen verdienen;

2. Freude, wenn andere unsere Unzulänglichkeit sehen und uns deshalb verachten;

3. wenn der Herr durch uns oder in uns etwas wirkt, dies im Hinblick auf unsere Nichtigkeit möglichst zu verbergen; ist das nicht möglich, das Ganze der göttlichen Barmherzigkeit und den

 Verdiensten anderer zuzuschreiben.

Das ist die Grundlage der gesamten evangelischen Vollkommenheit und der Kern des ganzen geistlichen Lebens. Wer diese Demut besitzt, erlangt zugleich mit ihr alles Gute (Weish 7,11). Wenn sie aber fehlt, dem wird sogar das Gute, das er hat genommen (vgl. Mt 13,12), und er wird von beständiger Unruhe geplagt.

8.        — Christus sagt: „Wer mein Jünger sein will der verleugne sich selbst" (Lk 9,23), und der heilige Paulus fügt im gleichen Sinn hinzu: „Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müßt ihr sterben; wenn ihr

aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben" (Röm 8,13).

 Seien wir daher stets auf die Verleugnung des eigenen Willens und

des eigenen Urteils sowie auf die Abtötung aller Sinne bedacht.

9.        — Auch die Liebe zu unseren Angehörigen darf nicht ausufern, wie denn Christus die aus der Zahl seiner Jünger ausschließt, die nicht Vater und Mutter, Brüder und Schwestern gering achten (Lk 14,25), und dem, der sich von seinen Verwandten trennt, verspricht er schon in dieser Welt das Hundertfache und in der künftigen das ewige Leben (vgl. Mt 19,29 und Lk 18,30).

Hierin zeigt sich, welch ein Hindernis Fleisch und Blut für die christliche Vollkommenheit sein können.

Jedoch soll man die Eltern mit einer geistlichen Liebe und nach dem Herzen Christi lieben.

10. — Bemühen wir uns besonders um einen Gleichmut, wie Christus und die Heiligen ihn geübt haben. Kleben wir nicht an unseren Ämtern, an Personen, Orten, besonders unserer Heimat, seien

wir im Gegenteil bereit, all das nach dem Willen und auf den Wink des Oberen zu verlassen. Eine abschlägige Antwort und eine Veränderung, die verfügt wird, wollen wir ruhig hinnehmen und

dabei sprechen: „Er hat alles im Herrn gut gemacht" (Mk 7,37).

11. — Christus, der Herr, hat ein ganz gewöhnliches Leben geführt,

um sich den Menschen anzupassen und sie leichter für Gott zu gewinnen. So wollen auch wir uns der größten Gleichförmigkeit befleißigen. Sie erhält uns in guter Ordnung und heiliger Eintracht. Wir sollen also nicht etwas Besonderes suchen; denn das ruft Neid und Zwietracht hervor.

Dieses gilt nicht nur in Bezug auf Nahrung, Kleidung, Schlafstätte u. dgl., sondern auch auf die Lehrmethode, die Predigtweise, der Leitungs- und Verwaltungsstil und die Exerzitien Um diese Einheitlichkeit bei uns zu wahren, bedarf es nur eines Mittels: der genauen Beobachtung unserer Regeln und Konstitutionen.

12. — Üben wir unablässig die Nächstenliebe indem wir:

1.        andern das tun, was wir mit Recht von ihnen erwarten (Mt 7,12);

2.         andern beistimmen und alles im Herrn gutheißen;

3.        einander ohne Murren ertragen (vgl. 1 Petr 4,9);

4.        weinen mit den Weinenden (Röm 12,15)

5.        uns freuen mit den Fröhlichen (vgl. Röm 12,10);

6.        den anderen mit Ehrerbietung zuvorkommen (vgl. Röm 12,10);

7.        uns anderen von Grund des Herzens wohlwollend und         dienstfertig erweisen;

8.        endlich   allen alles werden, um alle für Christus zu gewinnen         (vgl. 1 Kor 9,22).

Diese Hinweise sind jedoch so zu verstehen, daß nichts gegen die Gebote Gottes oder der Kirche und gegen die Regeln oder Konstitutionen geschieht.

13. — Manchmal läßt die göttliche Vorsehung zu, daß unsere Gemeinschaft, eines unserer Häuser oder ein Mitbruder grundlos verleumdet oder sonstwie angefeindet werden. Bei einer solchen Prüfung müssen wir uns vor jeder Rache oder Schmähung, ja vor jeder Klage gegen die Verfolger und Verleumder hüten. Wir wollen im Gegenteil Gott loben und preisen und ihm mit Freuden Dank sagen, daß uns damit ein großes Gut vom Vater der Gestirne zuteil wird (vgl. Jak 1, 17). Ja, wir wollen für alle von Herzen beten und ihnen, wenn sich Gelegenheit bietet, gerne Gutes tun. Denken wir dann daran, daß Christus zu uns wie zu allen Gläubigen sagt: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen (Lk 6,27); und betet für die, die euch verfolgen und schmähen" (Mt 5,4).

Damit wir das leichter und freudiger tun, fügt er hinzu, wir würden gerade darin selig sein, wir sollten uns freuen und jubeln, weil unser Lohn im Himmel groß sein werde (vgl. Mt 5,11). Aber die Hauptursache ist: er selbst hat so zuerst den Menschen gegenüber gehandelt, um uns ein Beispiel zu geben. Danach haben sich die Apostel und unzählige Christen gerichtet.

14.        — Die  Grundsätze, die bisher behandelt wurden, sind alle heilig und nützlich. Aber einige davon gehen uns besonders an, nämlich diejenigen, die Einfalt, Demut, Sanftmut, Abtötung und Seeleneifer empfehlen.

Diese muß die Kongregation mehr schätzen und üben. Die  fünf Tugenden werden dann gleichsam die Seelenkräfte unserer ganzen Gemeinschaft bilden, und alles, was der einzelne tut, wird davon seine Prägung erhalten.

15.        — Zwar sucht der Satan uns von diesen Grundsätzen abzubringen und die seinigen bei uns durchzusetzen. Diese müssen wir mit größter Klugheit und Wachsamkeit mutig und stark bekämpfen und niederringen, vor allem diejenigen, die dem Wesen der Kongregation der Mission am meisten entgegengesetzt sind, nämlich:

1. die Klugheit des Fleisches (vgl. Röm 8,6);

2. der Wunsch, von den Menschen gesehen zu werden;

3. das Verlangen, daß man sich stets unserem Urteil und unserem         Willen beugt;

4. die Sucht, in allem unserem natürlichen Verlangen nachzugeben;

5. die Gefühllosigkeit in betreff der Ehre Gottes und des Heiles des         Nächsten.

16.        — Nun nimmt aber der böse Geist oft die Gestalt eines Lichtengels an, um uns durch sein Blendwerk zu täuschen. Davor müssen wir auf der Hut sein und lernen, wie man das durchschaut und zunichte macht. Die Erfahrung lehrt, daß es am besten und wirksamsten ist, die Schwierigkeit möglichst

bald denen zu offenbaren, die Gott dafür bestimmt hat. Wer sich also von verfänglichen Gedanken, großer Angst oder Anfechtung bedrängt sieht, der spreche sich möglichst bald beim Superior oder dem dafür bestellten Mitbruder aus. Das Heilmittel, das dieser empfiehlt, nehme er willig an, so, als ob der Herr es ihm reichte, und wende es mit Vertrauen und Ehrfurcht an. Auf keinen Fall darf er über seine Schwierigkeit mit anderen, seien es Mitbrüder oder Außenstehende, reden; denn die Erfahrung lehrt, daß dann alles noch schlimmer wird und andere angesteckt werden, so daß schließlich die ganze Gemeinschaft großen Schaden erleidet.

17. — Gott hat uns die Sorge für unseren Nächsten aufgetragen, und außerdem müssen wir als Glieder desselben mystischen Leibes einander helfen. Wenn daher ein Mitbruder von einer schweren Anfechtung bedrängt wird oder einen ernsten Fehler begangen hat, dann muß der, der davon weiß, sofort in Liebe und auf die bestmögliche Weise dafür sorgen, daß der Superior die geeigneten  Heilmittel  gegen  diese  beiden  Übel anwenden kann.

Überhaupt sollen wir, um in der Tugend fortzuschreiten, dankbar sein,

wenn ein Mitbruder, der außerhalb der Beichte Kenntnis von unseren Fehlern erhalten hat, diese dem Superior im Geist der Liebe mitteilt.

18. — Unser Herr kam in die Welt, um das Reich des Vaters in den Seelen wiederherzustellen Er entriß sie dem Teufel, der sie durch das ungeordnete Verlangen nach Reichtum,

Ehre und Lust getäuscht und geraubt hatte. Deshalb hielt der gütige Heiland es für angemessen, seinen Feind mit den entgegengesetzten Waffen zu bekämpfen, nämlich mit Armut, Keuschheit und Gehorsam. Das tat er bis zu seinem Tod. Da nun die geringe Kongregation der Mission zu dem Zweck in der Kirche entstand, um für das Heil der Seelen, besonders unter dem Landvolk zu sorgen, ist sie sich klar darüber, daß sie keine stärkeren und geeigneteren Waffen anwenden kann als die ewige Weisheit selbst. So wollen wir stets getreu in Armut, Keuschheit und Gehorsam leben. Zu diesem Zweck halte man sich genau an das, was in den folgenden Kapiteln darüber gesagt wird.

Es ist als Hilfe zu verstehen, um sicherer, leichter und auch verdienstvoller in dieser Lebensform zu verharren.

III. Kapitel

Armut

1.        — Christus, der wahre Herr aller Güter, hat die Armut so geliebt, daß er keinen Ort hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte (Mt 8,20). Seine Mitarbeiter in der Mission, nämlich die Apostel und

die Jünger, stellte er auf dieselbe Stufe der Armut, so daß sie kein Eigentum besaßen. Sie sollten nämlich die Begierde nach Reichtum, die fast die ganze Welt zugrunde richtet, besser und leichter bekämpfen können.

So müssen auch wir ihn in dieser Tugend nachahmen in der Überzeugung, daß sie eine unüberwindliche Festung ist, die die Gemeinschaft mit Hilfe der göttlichen Gnade auf immer vor dem Untergang bewahrt.

2.        — Allerdings duldet es unsere Missionstätigkeit, die wir ja umsonst verrichten, nicht, in jeder Hinsicht arm zu leben. Trotzdem sollten wir das Verlangen danach haben und, soweit es uns betrifft, es auch in die Tat umsetzen, besonders in folgenden Punkten.

3.        — Vor allem: Nach dem Beispiel der ersten Christen gehört uns alles gemeinsam. Was der einzelne braucht, wie Nahrung, Kleidung, Bücher Hausrat usw., gibt ihm der Obere. Auch kann keiner, der sich zur Armut entschlossen hat, über ein gemeinsames Gut verfügen oder es ohne Erlaubnis des Superiors weggeben.

4.        — Außerdem darf keiner etwas ohne Wissen oder Erlaubnis des Superiors besitzen oder etwas haben, wovon er sich nicht auf Befehl oder selbst auf den Wink des Obern sogleich trennen würde.

5.        — Niemand darf ohne Erlaubnis des Superiors etwas als sein Eigentum behandeln, etwas verschenken oder annehmen, verleihen oder entleihen oder anderswoher erbitten.

6. — Keiner  darf sich von dem, was einem anderen zur Benutzung zugewiesen wurde oder was für den gemeinsamen Gebrauch bereitgestellt oder aufbewahrt ist etwas nehmen, nicht einmal

Bücher, und was ihm gegeben wurde, darf er ohne Erlaubnis  des  Superiors keinem anderen geben oder durch Nachlässigkeit verkommen lassen.

— Wir wollen nichts Überflüssiges oder Besonderes suchen.

Aber auch beim Notwendigen sollen wir unser Verlangen bezähmen. Nahrung Zimmer, Bett sollen wie für einen Armen eingerichtet sein, so daß wir hierin wie auch in anderen Dingen Armut erfahren. Und wenn uns gerade das schlechteste im Haus zugeteilt wird, wollen wir es gern ertragen.

8. — Damit  sich bei uns nichts findet, was irgendwie nach Eigentum aussieht, sollen unsere Zimmer nur so geschlossen sein, daß man sie von außen öffnen kann. Auch ein Kasten oder etwas, was mit einem besonderen Schlüssel verschlossen ist, darf sich dort nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Superiors befinden.

9. — Wer von einem Haus in ein anderes geht, darf ohne Erlaubnis des Obern nichts mitnehmen.

10.        — Die   Tugend   der   Armut   wird  schon durch das ungeordnete Verlangen nach zeitlichen Gütern verletzt. Hüten wir uns daher, es unter dem Vorwand, wir strebten ja nach „geistlichen" Gütern, wenn wir uns um Benefizien bemühen, in uns hochkommen zu lassen. Also: keiner darf, mit welcher   Begründung   auch  immer,  nach  einem Benefizium oder einer kirchlichen Würde trachten.

IV. Kapitel

Keuschheit

1. — Unser Heiland hat deutlich zu erkennen gegeben, wie sehr er die Keuschheit schätzte und wie sehnlich er wünschte, die Menschen möchten davon durchdrungen sein. Wollte er doch durch das Wirken des Heiligen Geistes gegen die Gesetz der Natur von einer unversehrten Jungfrau geboren werden, und vor dem entgegengesetzten Laster zeigte er großen Abscheu; denn er hat nicht zugelassen, daß seine ärgsten Feinde ihn jemals eines Vergehens gegen die Schamhaftigkeit verdächtigten, geschweige denn beschuldigten, während er sich doch sonst der abscheulichsten Verbrechen fälschlich anklagen ließ, um mit Schmach gesättigt zu werden (vgl. Klgl 3,30). So muß auch unsere Gemeinschaft ein lebhaftes Verlangen gerade nach einer solchen inneren Haltung haben, um immer und überall dementsprechend zu handeln. Das ist für uns besonders wichtig, weil wir durch unsere Missionstätigkeit ständig mit Männern und Frauen zu tun haben. Da bedarf es der Sorgfalt, der Achtsamkeit und der Vorsicht, wenn man die Keuschheit im Inneren und Äußeren bewahren will.

2. — Dies erreichen wir aber mit der Gnade Gottes nur, wenn wir unsere Phantasie zügeln und unsere  Sinne  beherrschen, mit  Frauen niemals allein an unpassendem Ort und zu unpassender Zeit sprechen und, wenn wir mit ihnen sprechen oder ihnen schreiben, zärtliche Worte, auch wenn sie fromm klingen, vermeiden. Beim Beichthören

oder beim Gespräch außerhalb der Beichte sollen wir uns ihnen nicht zu sehr nähern und meinen, so etwas könne uns nichts anhaben.

3. — Unmäßigkeit ist gleichsam die Mutter und die Ernährerin der Unreinheit. Seien wir deshalb im Essen mäßig, nehmen wir, soweit es geht, nur gewöhnliche Kost zu uns und den Wein mit sehr

viel Wasser gemischt.

4. — Es kann uns als Missionaren nicht genügen, einen höheren Grad in dieser Tugend erreicht zu haben. Wir müssen vielmehr mit allen Kräften zu vermeiden suchen, daß einer von uns wegen des entgegengesetzten Lasters ins Gerede kommt; denn dieser bloße, wenn auch durchaus ungerechtfertigte Verdacht würde unserer Gemeinschaft mehr als andere Verbrechen schaden, deren man uns fälschlicherweise  beschuldigen könnte. Dann würden wir nämlich mit unseren Missionen gar nichts oder nur wenig erreichen.

Um ein solches Ungemach zu vermeiden oder ggfs. zu beheben, müssen wir alles tun, was uns möglich ist, und sogar unter Umständen

etwas, was sonst erlaubt oder sogar gut und heilig ist, unterlassen. Dies gilt in dem Fall, daß der Obere oder der Missionsleiter zu dem Urteil kommt, hier könne wirklich Anlaß zu einen üblen Verdacht gegeben werden.

5. — Müßiggang beeinträchtigt jede Tugend besonders die Keuschheit. Man hüte sich davor und sehe zu, daß man immer nützlich beschäftigt ist.

V. Kapitel

Gehorsam

1. — Unser Herr Jesus Christus hat uns durch Wort und Beispiel den Gehorsam gelehrt. Er wollte nämlich der allerseligsten Jungfrau, dem heiligen Josef und anderen, die ein Amt hatten, sowohl guten als bösen, untertänig sein. Ihm zu Ehren sollen auch wir unseren Vorgesetzten pünktlich gehorchen, indem wir sie in unserem Herrn und unseren Herrn in ihnen sehen.

Besonders sollen wir dem Heiligen Vater, den Papst, treu und aufrichtig Ehrfurcht und Gehorsam erweisen. Auch den hochwürdigsten Herren Bischöfen, in deren Diözesen wir Häuser haben, werden wir demütig und standhaft gemäß unseren Konstitutionen Gehorsam leisten, und in den Pfarrkirchen dürfen wir nichts ohne Zustimmung des Pfarrers unternehmen.

2.        — Auch dem Generalsuperior  sollen wir schnell, freudig und beständig in allem gehorchen, was nicht offenbar Sünde ist, und zwar mit einem gewissermaßen blinden Gehorsam. Wir wollen also

unser eigenes Urteil und unseren eigenen Willen dem seinen unterordnen. Das gilt nicht nur in Bezug auf seinen ausgesprochenen Willen, sondern schon in bezug auf seine Absicht. Dabei gehen wir

davon aus, daß das immer zum besten gereicht, was er vorschreibt. So wollen wir uns seinen Anordnungen überlassen wie die Feile den Händen des Arbeiters.

3.        — Einen  solchen  Gehorsam  schulden wir auch den anderen Obern, dem Visitator, dem Superior und selbst einem, der ein untergeordnetes Amt bekleidet.

Wir wollen dem Schall der Glocke wie der Stimme Christi

gehorchen, so daß wir auf das erste Zeichen selbst den angefangenen Buchstaben unvollendet lassen.

4.        — Halten wir uns, um eine solche Gesinnung in uns zu vertiefen, an die überkommene Regel nichts zu verlangen und nichts zurückzuweisen.

Wenn aber einer sieht, daß er etwas nötig hat oder daß ihm etwas schädlich ist, dann prüfe er vor den Herrn, ob er dies dem Obern eröffnen soll, und verhalte  sich gleichmütig hinsichtlich der möglichen Antwort. In dieser Haltung lege er die Sache dem Obern vor und sei überzeugt, daß sich ihm der Wille Gottes in der Entscheidung des Obern kundtut, der er dann gleich zustimmen soll.

5.        — Jede Woche kommt man zur festgesetzten Stunde und an dem dafür bestimmten Ort zusammen, um vom Superior Ermahnungen betreffs der Hausordnung entgegenzunehmen. Wenn einer etwas vorbringen will, kann er es bei dieser Gelegenheit tun.

6.        — Niemand darf anderen Vorschriften machen oder einen zurechtweisen, wenn er nicht von Amts wegen dazu verpflichtet oder vom Superior damit beauftragt ist.

7.        — Wenn  man von einem Obern eine abschlägige Antwort erhalten hat, darf man sich mit derselben Sache nicht  an einen  anderen Oberen wenden, ohne ihm die Ablehnung und den Grund dafür mitzuteilen.

8.        — Wenn einem eine Aufgabe oder Verantwortung

übertragen wurde, darf man diese nicht eigenmächtig aufgeben, auch wenn eine andere Verpflichtung uns hindert. Man soll dann rechtzeitig

einen der Vorgesetzten informieren. Dieser wird, wenn nötig, einem anderen diese Aufgabe übertragen.

9.        — Man darf sich nicht in das Amt oder die Aufgabe eines anderen einmischen. Wird man jedoch von einem, der mit einem Amt, auch einem niedrigeren, betraut ist, um eine vorübergehende Hilfe gebeten, dann soll man sie gern leisten, wenn man nicht verhindert ist. Müßte man sich aber dabei länger aufhalten, bedarf man der Erlaubnis des Superiors.

10.        — Man darf keinen Dienst- oder Arbeitsraum ohne Erlaubnis des Obern betreten. Im Notfall genügt die Erlaubnis dessen, dem der Raum unterstellt ist.

11.        — Um nachteilige Folgen zu vermeiden, darf man ohne Erlaubnis des Superiors keinen Brief schreiben, abschicken oder öffnen. Wer einen Brief geschrieben hat, übergibt ihn dem Superior,

der ihn abschickt oder zurückbehält, wie er es für gut findet.

12.        — Außer der gewöhnlichen Zeit soll man ohne Erlaubnis des Obern weder essen noch trinken.  So ist der Gehorsam auch zur Gesundheit des Leibes förderlich.

13. — Ohne Erlaubnis des Superiors darf man nicht das Zimmer eines anderen betreten oder öffnen, bevor man das „Herein" vernommen hat

Solange man sich in dem Zimmer befindet, soll die Tür offen bleiben.

14. — Ohne Erlaubnis des Obern nehme man niemand mit auf sein Zimmer, besonders keinen Auswärtigen.

15. — Niemand darf ein Buch schreiben oder aus einer Sprache in eine andere übersetzen und herausgeben, ohne ausdrückliche Gutheißung und Erlaubnis des Generalsuperiors.

16. — Unsere Brüder, denen der Dienst der Martha obliegt, dürfen nicht nach der Erlernung der lateinischen Sprache, geschweige denn nach dem geistlichen Stand streben. Ein solches Verlangen

sollen sie sofort als Einflüsterung des bösen Geistes unterdrücken. Vielleicht sucht dieser sie durch geheimen  Stolz, der sich als Seeleneifer tarnt, zu verderben. Auch Lesen und Schreiben sollen sie ohne ausdrückliche Erlaubnis des Generalsuperiors nicht lernen.

VI. Kapitel

Die Kranken

1.        — Eines der vortrefflichsten Guten Werke, das Jesus Christus verrichtete und denen empfahl, die er in seinen Weinberg sandte, ist, für die Kranken zu sorgen, besonders wenn sie arm sind, und sie zu besuchen.

Deswegen muß es uns ein besonderes Anliegen sein, die Kranken im Haus, aber auch auswärtige, mit Zustimmung des Superiors zu besuchen, ihnen Erleichterung zu verschaffen und, besonders während der Missionen, soweit es geht, körperliche und geistliche Hilfe zu leisten, auch wollen wir uns bemühen, die Caritas-Vereine ins Leben zu rufen und sie zu besuchen.

2.        — Mögen wir nun einen Kranken im Hause oder auswärts besuchen, niemals soll das eine bloß menschliche Begegnung sein; denn Christus sagt, daß er es ist, dem wir den Dienst erweisen. Deswegen müssen wir uns auch rücksichtsvoll verhalten, nur mit leiser Stimme sprechen, und zwar von Dingen, die den Kranken erheitern und trösten und auch andere, die sich im Zimmer befinden erbauen.

3.        — Die Kranken selbst müssen sich bewußt sein, daß sie nicht nur deswegen im Krankenzimmer und im Bett sind, um gepflegt und geheilt zu werden. Sie sollen vielmehr die christlichen Tugenden,

vor allem die Geduld und die Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen durch ihr gutes Beispiel wie von einer Kanzel aus lehren. So werden sie innerlich wachsen und für die Besucher und das Pflegepersonal „Christi Wohlgeruch" (2 Kor 2,15) sein. Auch die Übung des Gehorsams ist für den Kranken wichtig. Er muß sich auf das genaueste dem Arzt, sowohl dem Arzt der Seele wie dem des Leibes, fügen, ebenfalls dem Krankenwärter und den anderen, die mit der Pflege beauftragt sind.

4.        — In diesem ganzen Bereich kann sich leicht Mißbrauch einschleichen. Deswegen halten wir es so, daß derjenige, der sich krank fühlt, es dem Superior meldet oder dem, der mit der Sorge für

die Gesundheit betraut ist, oder dem Krankenwärter.

Ohne Gutheißung des Superiors darf man keine Arznei gebrauchen, auch keinen Arzt oder sonst jemand konsultieren.

VII. Kapitel

Die Bescheidenheit

1.        — Von unserem Herrn Jesus Christus strahlte eine große Bescheidenheit aus sowohl durch sein Angesicht wie durch sein Reden. Das war es, was viele Tausende von Menschen anzog, so daß sie ihm weit in die Wüste folgten. Es war für sie eine Freude, ihn zu sehen und Worte ewigen Lebens aus seinem Mund zu hören. Darüber vergaßen sie sogar Essen und Trinken.

Wir Missionare müssen unserem Lehrer darin ähnlich sein. Unser Beruf bringt uns nämlich in ständigen Kontakt mit unseren Mitmenschen. Wie leicht könnte das, was wir durch unsere Arbeit und unseren Dienst im Herrn aufgebaut haben, durch das geringste anstößige Benehmen zunichte werden.

Beachten wir daher, was der heilige Paulus den ersten Christen schreibt: „Eure Bescheidenheit werde allen Menschen bekannt" (Phil 4,5). Die verschiedenen Regeln, die diesen Punkt betreffen, können uns dabei helfen, besonders die folgenden.

2.        — Man lasse nicht seine Augen ungezügelt umherschweifen, vor allem nicht in der Kirche, bei Tisch oder auch sonst in der Öffentlichkeit. Das wirkt undiszipliniert und kindisch. Man vermeide überhaupt geziertes und weltliches Benehmen.

3.        — Unterlassen wir alle gegenseitigen Berührungen, auch wenn sie als Scherz gemeint sind. Nur wenn jemand abreist oder von der Reise zurückkehrt und wenn jemand in die Gemeinschaft aufgenommen wird, wollen wir ihn zum Zeichen brüderlicher Liebe umarmen.

4.        — Sorgen wir für eine ehrbare Reinlichkeit besonders in der Kleidung, wobei wir aber alles Gesuchte und Gezierte vermeiden wollen.

5.        — Unsere sehr wenigen und ärmlichen Gebrauchsgegenstände sollen sauber und ordentlich in unserem Zimmer aufgehoben werden. Die Zimmer kehrt man alle drei Tage aus. Morgens beim Aufstehen   bringt   man   in   geziemender  Weise das Bett in Ordnung, wenn der Superior nicht aus Krankheitsgründen  oder wegen besonderer Verpflichtungen einen anderen damit beauftragt.

6. — Niemand verläßt sein Zimmer, ohne anständig bekleidet zu sein.

7. — Damit uns diese Sittsamkeit zur zweiten Natur wird, muß man sich ihrer auch, wenn man allein ist, befleißigen, im Gedanken an die Gegenwart Gottes.

Auch des Nachts schläft man nicht unbekleidet und ohne jede Decke.

VIII. Kapitel

Der Umgang miteinander

1.        — Unser Heiland Jesus Christus sammelte die Apostel und Jünger um sich und gab ihnen Vorschriften über das rechte Zusammenleben, z. B. einander zu lieben, einander die Füße zu waschen, sogleich zu seinem Bruder, der etwas gegen einen

haben könnte, hinzugehen und sich mit ihm auszusöhnen,

zu zweien miteinander zu gehen und schließlich der Geringste zu werden, wenn jemand der Größte sein wolle.

Nun will unsere kleine Gemeinschaft  das Leben Christi und der Apostel weiterführen. Deshalb ist es ganz richtig, daß auch wir Regeln für den Umgang und das Reden miteinander haben und uns nach Kräften bemühen sie zu befolgen.

2.        — Stets sollen brüderliche Liebe und heilige Eintracht unter uns herrschen und auf keine Weise gefährdet werden. Dazu müssen wir einerseits große Ehrfurcht voreinander an den Tag legen, andererseits

aber wie liebe Freunde miteinander leben. Vermeiden wir exklusive Freundschaften, aber auch Abneigungen; denn diese beiden Fehlhaltungen sprengen, wie die Erfahrung lehrt, jede Gemeinschaft.

3. — Dem Obern schulden alle eine besondere Ehrerbietung. Man nimmt vor ihm das Birett ab, beim Gespräch unterbricht man ihn nicht noch widerspricht man ihm, was noch ärger wäre. Auch vor den Priestern nimmt man das Birett ab, die Seminaristen und Studenten vor ihrem Direktor und den Professoren. Die Priester selbst mögen mit

dieser  Ehrenbezeugung  einander  zuvorkommen.

Bei Tisch nimmt man das Birett nur ab, wenn der Superior oder ein  vornehmer  Fremder herein kommt oder geht. Sonst bestände immer wieder Anlaß, herumzuschauen und so die Geistessammlung zu verlieren.

4. — In der Heiligen Schrift heißt es: Es gibt eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden" (Koh 3,7), und „Bei vielem Reden bleibt die Sünde nicht aus" (Spr 10,19).

Aber auch eine lange Erfahrung lehrt uns, daß der fromme Geist in einer Gemeinschaft  nachläßt, wenn dem Reden kein Maß gesetzt und auf das Stillschweigen kein Wert mehr gelegt wird. Daher herrscht bei uns außerhalb der Zeit der Erholung Stillschweigen. Ohne Notwendigkeit darf man also nicht reden, höchstens ein paar Worte im Vorübergehen und mit leiser Stimme. Das gilt vor allem in der Kirche und in der Sakristei, im Schlafsaal, im Speisesaal, hier vor allem, wenn man zu Tisch sitzt. Wenn einem bei Tisch etwas fehlt, so soll sein Nebenmann den, der dabei dient, mit einem Wink, einem sonstigen Zeichen oder notfalls mit einem Wort darauf aufmerksam machen.

Ganz allgemein gilt: Meiden wir zu heftiges und zu lautes Reden, selbst in der Erholungszeit; denn so etwas wirkt abstoßend, sowohl auf die Mitbrüder wie auf Gäste.

5. — Mit den Seminaristen, den Studenten und sogar den Priestern, die das Seminar noch keine zwei Jahre hinter sich haben, darf man nur mit Erlaubnis des Superiors sprechen. Wo es die Liebe fordert, kann man sie im Vorübergehen mit einem Wort grüßen.

6. — Zum Stillschweigen gehört auch, daß man so weit wie möglich jedes Geräusch vermeidet, mag man sich in seinem Zimmer befinden oder durchs Haus gehen, vor allem des Nachts. Die Türen öffne

und schließe man leise.

7.  — Bei der täglichen Unterhaltung und Erholung  wollen wir zur Fröhlichkeit die Bescheidenheit hinzufügen, um so nach Möglichkeit das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, und allen ein gutes Beispiel geben. Daher sollen sich die Gespräche meistens um das drehen, was auf Frömmigkeit oder auf die für Missionare notwendige Wissenschaft Bezug hat.

8.        — Bei diesen sowie bei anderen gelegentlich erlaubten Unterhaltungen werden wir unter anderen gerade auch solche Themen vorbringen, die die Liebe zu unserem Beruf und das Bemühen um die Vollkommenheit stärken. Hierzu wollen wir einander ermuntern.    

So können wir etwa über den Wert der Frömmigkeit, der Abtötung, des Gehorsams, der Demut sprechen und ihn demütig und ruhig gegen den rechtfertigen, der ihn etwa in Frage stellt.

Wenn uns persönlich eine von diesen Tugenden nicht sympathisch ist, so sprechen wir darüber mit dem Superior oder dem Direktor, aber nicht mit einem einzelnen Mitbruder oder in der allgemeinen Unterhaltung.

9.        — Vor allem: meiden wir in unseren Gesprächen

jeden  Anschein  von Starrköpfigkeit und Streit, geschehe  dies auch nur zum Vergnügen.

Halten wir uns im Gegenteil offen für die Auffassungen

der anderen und gehen wir darauf ein, wenn es nicht unerlaubt ist. Können wir aber dem anderen doch nicht zustimmen, dann bringen wir schlicht und im Geist der Demut unsere Gründe vor. Im Verlauf des Gesprächs wollen wir auf keinen Fall Ungeduld und Ärger merken lassen und den Beleidigten spielen. Hüten wir uns ja, einen anzufahren oder gar gegen ihn tätlich zu werden und ihm in irgendeiner Weise zu nahe zu treten.

10.        — Verschwiegenheit, Diskretion sei uns eine heilige Verpflichtung. Es geht hierbei nicht nur um das, was sich auf die Beichte und die Leitung des Hauses oder der Genossenschaft bezieht, sondern auch auf das, was im Kapitel bezüglich der Fehler und der Bußen gesagt wird, und alles, worüber zu sprechen uns der Obere und die Natur der Sache verbieten.

11.        — Niemand soll den guten Ruf eines andern, vor allem des Obern auch nur im geringsten antasten, gegen ihn murren oder das einer Kritik unterziehen, was in unserer Kongregation oder in anderen religiösen Gemeinschaften geschieht oder geredet wird.

12.        — Man schnüffelt nicht herum, um etwas über die Verwaltung des Hauses zu erfahren oder mit anderen darüber zu reden. Auch spreche man nicht, sei es direkt oder indirekt, gegen die Regel und Konstitutionen oder gegen die frommen Gebräuche der Kongregation.

13. — Man soll sich nicht über das Essen, die Kleidung oder die Schlafstätte beklagen, ja nicht einmal darüber reden, außer wenn man dazu durch ein Amt verpflichtet ist.

14. — Niemand  darf nachteilig von anderen Völkern oder Provinzen sprechen wegen der großen Übel, die dadurch entstehen würden.

15.        — In den öffentlichen Mißhelligkeiten und Kriegen, die zwischen den christlichen Fürsten aufbrechen können,

sollen wir nicht Partei ergreifen. So ahmen wir Christus nach. Er lehnte es ab Schiedsrichter zwischen  streitenden Brüdern zu sein (Lk 12,14) und über die Rechte der Fürsten zu urteilen. Er predigte nur dies eine: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört…" (Mt 22,21).

16.        — Vermeiden wir sorgfältig alle Gespräche über das Staatswesen und die Regierungen sowie über andere öffentliche Angelegenheiten der Fürsten unserer Zeit und das übrige derartige Gerede der Welt. Hüten wir uns möglichst, darüber etwas zu schreiben.

IX. Kapitel

Der Umgang mit den Auswärtigen

1. — Außer den Regeln für das Leben in der Gemeinschaft gab unser Heiland den Aposteln und Jüngern auch einige Vorschriften für den sonstigen Umgang mit dem Nächsten, mit den Schriftgelehrten

und Pharisäern, mit den Obrigkeiten, wenn sie vor ihren Richterstuhl gestellt würden, wie sie sich bei Gastmählern verhalten sollten, wenn sie dazu eingeladen werden, und dergleichen mehr. Darum ist es angemessen, daß auch wir entsprechende Regeln für den Umgang mit Auswärtigen haben, bemühen wir uns, sie getreu zu beobachten.

2. — Unser Beruf verlangt den häufigen Kontakt mit Weltleuten, besonders bei den Missionen, trotzdem sollen wir ihn nicht suchen, sondern Gehorsam und Notwendigkeit sollen entscheidend sein. In jedem Fall muß uns aber das Wort unseres Herrn vor Augen stehen: „Ihr seid das Licht der Welt". Verhalten wir uns also wie das Sonnenlicht, das erleuchtet und erwärmt und, wenn es auch unreine Orte durchdringt, nichts von seiner Reinheit verliert.

3.        — Mischen wir uns nicht in die Prozesse von Auswärtigen  ein, übernehmen wir keine Testamentsvollstreckung, geben wir uns nicht  mit Handels- und Heiratsgeschäften u. dgl. weltlichen Angelegenheiten ab nach dem Rat des Apostels: „Kein Streiter Gottes läßt sich in weltliche Geschäfte ein " (2 Tim 2,4).

4.        — Niemand soll ohne Erlaubnis des Superiors die Besorgung frommer Werke übernehmen, seine Mitarbeit versprechen oder auch nur eine gewisse Neigung dazu merken lassen.

5.        — Ohne Erlaubnis des Superiors darf man im Hause nicht mit Fremden sprechen oder Mitbrüder zum Gespräch herbeirufen.

6. — Man lädt ohne Erlaubnis des Superiors niemand zu Tisch.

7. — Ohne Erlaubnis des Obern vermittle man keine Briefe oder Aufträge oder dgl. von Auswärtigen an die Mitbrüder und umgekehrt.

8.        — Um anderen unsere Regeln zu zeigen, ist die ausdrückliche Erlaubnis des Generalsuperiors oder des Visitators erforderlich. Nur solchen, die in die Kongregation aufgenommen werden möchten, kann man sie mit Erlaubnis des Haussuperiors zeigen, und zwar zur Zeit der Exerzitien oder auch schon vorher, wenn der Superior es im Herrn für gut hält.

9.        — Was im Haus geschieht und geschehen soll, teilt man nicht leichtfertig und nutzlos Auswärtigen mit. Auch unterhält man sich mit ihnen nicht über das, worüber wir auch unter uns nicht reden sollen, vor allem nicht über Politik.

10.        — Wer mit Erlaubnis zu Auswärtigen geht, spreche mit ihnen über notwendige Dinge oder über das, was ihnen oder uns oder beiden zum Heil und zur Erbauung gereicht, und zwar mit geziemender Würde, Bescheidenheit und Frömmigkeit, natürlich unter Beachtung der besonderen Umstände der Personen, der Zeit und des Ortes.

11.        — Man darf das Haus nur verlassen, wenn es der Obere für ratsam hält, und dann nur mit dem Begleiter, den der Superior oder ein von ihm Beauftragter bestimmt. Der Begleiter muß aber dem

anderen den Vortritt und das Wort lassen.

12.        — Wenn jemand den Superior um die Erlaubnis bittet, irgendwohin zu gehen, so soll er gleich erklären, wohin er gehen will und aus welchem Grund. Gleich nach der Rückkehr ins Haus gebe er Rechenschaft über das, was er getan hat.

13.— Man darf nur durch die gewöhnliche Pforte des Hauses ein- und ausgehen, es sei denn, die Notwendigkeit oder die Erlaubnis des Obern entbinde einen von dieser Vorschrift.

14.— Wer das Haus verläßt, soll neben seinem Namen an der Pforte ein Zeichen machen, auch wenn er mit Erlaubnis durch eine Nebentür oder die Kirche hinausgeht. Dem Pförtner gibt er die Stunde seiner Rückkehr an, damit dieser Bescheid geben kann, wenn nach ihm gefragt wird. Man soll nicht vor Tagesanbruch weggehen und muß vor

Einbruch der Nacht wieder zurück sein. Bei der Rückkehr nimmt man gleich das Zeichen von dem Namen weg.

15 — Ohne Erlaubnis des Superiors darf man außerhalb des Hauses keine Speise zu sich nehmen außer auf Reisen.

16.— Wenn man auf der Reise durch einen Ort kommt, in dem sich ein Haus der Kongregation befindet, so darf man nur dort einkehren. Solange man da verweilt, untersteht man dem dortigen Superior und darf ohne dessen Rat und Leitung nichts tun. Das gilt auch für den, der geschäftlich dorthin kommt.

X. Kapitel

Die religiösen Übungen unserer Gemeinschaft

1.        — Christus, der Herr, und seine Jünger hatten ihre frommen Übungen. So gingen sie z.B. an bestimmten Tagen in den Tempel, zogen sich bisweilen in die Einsamkeit zurück und widmeten sich dem Gebet. Deshalb ist es angebracht, daß auch diese kleine Kongregation ihre geistlichen Übungen hat. Gerade diese muß sie gewissenhaft verrichten und ihnen vor allem anderen den Vorrang geben,

wenn nicht die Notwendigkeit oder der Gehorsam anderes nahelegen; denn sie leiten uns zur sinnvollen Beobachtung der übrigen Vorschriften an und führen uns zur Vollkommenheit.

2.        — Die   Errichtungsbulle   der  Kongregation der Mission

legt uns die Verpflichtung auf, besonders die Geheimnisse der allerheiligsten Dreifaltigkeit und  der Menschwerdung zu verehren. Ihr wollen wir getreu und wenn möglich bei jeder Gelegenheit nachkommen. Vor allem geschehe es dadurch, daß wir oft voll Glauben und Andacht diese Geheimnisse aus dem Grunde unseres Herzens verehren, jeden Tag zu ihrer Ehre einige Gebete und gute Werke aufopfern und vor allem ihre Feste mit Feierlichkeit und mit aller Andacht, deren wir fähig sind, begehen und schließlich uns bemühen, ihre Kenntnis und Verehrung in den Geist der Völker einzupflanzen, sei es durch Unterweisungen oder durch unser Beispiel.

3. — Das alles wird uns am ehesten gelingen wenn wir die heilige Eucharistie in der rechten Weise feiern und verehren, mögen wir sie als Opfer oder als Sakrament betrachten; denn sie ist der Inbegriff aller Glaubensgeheimnisse und führt den, der sich ihren Opfergedanken zu eigen macht und aus der Vereinigung mit Christus sein Leben gestaltet, zur Heiligkeit und zum ewigen Leben. So erweisen wir dem Einen und Dreifaltigen Gott die höchste Ehre. Daher muß die Ehrfurcht vor diesem Sakrament und Opfer uns ganz besonders am Herzen liegen. Dann werden wir auch den Wunsch haben, daß ihm andere diese Ehrfurcht und Verehrung erweisen. Laßt uns also jede Unehrerbietung im Tun und Reden nach Möglichkeit verhüten und andere im rechten Glauben und in der wahren   Verehrung dieses hohen Geheimnisses unterweisen.

4.        — Ausdrücklich schreibt uns dieselbe Bulle vor, die allerseligste Jungfrau Maria durch öffentliche Verehrung zu verherrlichen. Aber auch aus verschiedenen anderen Gründen sind wir dazu verpflichtet.

Wir tun es mit Gottes Hilfe, indem wir die   erhabene   Mutter Christi,  

die  auch unsere Mutter ist, täglich verehren, sie in ihren Tugenden, besonders der Demut und der Keuschheit nachahmen und andere, wo sich die Möglichkeit bietet, ermuntern, ihr eine besondere Verehrung und einen würdigen Dienst zu erweisen.

5.        — Legen wir großen Wert auf das Stundengebet. Es muß in geziemender Weise verrichtet werden, und zwar nach dem römischen Ritus und gemeinschaftlich, auch auf Missionen, aber mit mäßiger Stimme und ohne Gesang, damit unser Dienst am Mitmenschen nicht beeinträchtigt wird. Das gilt nicht nur für Priesterseminare und für die Häuser, in denen wir auf Grund von Stiftungen, wegen der Weihekandidaten oder aus einem ähnlichen Grund  zum gregorianischen Choral verpflichtet sind. Wo und wann wir aber auch immer die Tagzeiten beten, muß es mit Ehrfurcht, Sammlung und Andacht geschehen. Wir feiern ja das Lob Gottes, verrichten also den Dienst der Engel.

6.        — Es gehört zu den Hauptaufgaben unserer Missionen, andere zum würdigen und häufigen Empfang der Sakramente der Buße und des Altars anzuleiten. Um so mehr müssen wir selbst ihnen mit gutem Beispiel vorangehen, ja sie weit übertreffen.

Aber alles in einer gewissen Ordnung: Die Priester   beichten  zweimal in der Woche  oder wenigstens einmal  bei einem dazu bestimmten Beichtvater des Hauses, nicht bei einem anderen ohne Erlaubnis des Superiors. Sie feiern täglich das heilige Meßopfer, wenn sie nicht daran gehindert sind. Die übrigen, die nicht Priester sind, gehen jeden Samstag und am Vorabend der Hauptfeste bei  einem  der erwähnten Priester zur Beichte, wenn der Superior nicht einen anderen Beichtvater bestimmt. An allen Sonntagen und den oben erwähnten

Festtagen gehen sie nach dem Rat ihres Direktors zur heiligen Kommunion, und täglich hören sie die Messe.

7.        — Wir können Christus, der außer den Betrachtungen

am Tage auch ganze Nächte im Gebet zubrachte, nicht in jeder Beziehung nachahmen. Tun wir es, soweit es unsere Schwachheit uns erlaubt, indem wir jeden Tag eine Stunde dem inneren Gebet obliegen. Es ist bei uns üblich, daß dies gemeinsam geschieht und in dem dafür vorgesehenen Raum.

8.        — Lassen wir keinen Tag vorübergehen, ohne in einem geistlichen Buch zu lesen entsprechend dem besonderen Bedürfnis unserer Seele, und zwar während der Zeit, die der Superior oder der Direktor dazu bestimmt.

Ferner lesen die Priester und die Kleriker täglich ein Kapitel aus dem Neuen Testament. Dies ist nämlich d i e Regel der Vollkommenheit. Zu unserem größeren Nutzen legen wir hierbei das Birett ab und knien uns hin. Zum Schluß beten wir die Wahrheiten an, die in dem Kapitel enthalten sind, suchen die Gesinnung in uns zu wecken, in der Christus oder die heiligen Schriftsteller die Wahrheiten ausgesprochen haben, und nehmen uns vor, die Tugendbeispiele nachzuahmen und die Ratschläge oder Vorschriften, die in dem Abschnitt enthalten sind, zu befolgen.

9.        – Es gibt eine zweifache Gewissenserforschung, die uns hilft, unsere eigenen Mängel zu entdecken, sie mit der Gnade Gottes auszugleichen, und eine größere innere Reinheit zu erlangen, nämlich

1. die besondere vor dem Mittag- und dem Abendessen; sie ist kurz und bezieht sich auf die Erwerbung einer bestimmten Tugend oder auf die Ausmerzung eines Fehlers; 2. die allgemeine; dabei geht man die einzelnen Handlungen des Tages durch. Sie findet kurz vor dem Schlafengehen statt.

10.        — Um die Zurückgezogenheit Christi zu ehren, besonders die vierzigtägige in der Wüste halten wir Exerzitien. Sowohl Geistliche als auch Laien machen sie beim Eintritt in die Gemeinschaft.

Dabei legen sie eine Generalbeichte über ihr ganzes bisheriges Leben bei einem vom Superior bestimmten Priester ab. Die schon zur   Gemeinschaft gehören, halten jedes Jahr ihre Exerzitien, die Seminaristen alle sechs Monate, jeweils mit einer Beichte über die Zeit seit der letzten Generalbeichte.

11.        — Ohne   den   Beistand  eines geistlichen Führers wird man kaum in der Tugend voranschreiten.

Auch ist es äußerst schwer, zu der uns angemessenen Vollkommenheit zu gelangen, wenn man sich nicht zuweilen mit seinem geistlichen Führer in der rechten Weise über sein Inneres ausspricht. Deshalb legen wir vor dem Superior oder dem von ihm bestimmten Mitbruder wenigstens alle drei Monate ehrlich und fromm eine Gewissensrechenschaft ab,

und zwar nach der bei uns üblichen Form. Das geschehe vor allem in den Exerzitien, aber auch sonst, wenn es der Superior für geraten hält.

12.        — Wenigstens einmal in der Woche findet eine geistliche Konferenz statt. Bevorzugte Themen sind: die Verleugnung des eigenen Willens und des eigenen Urteils, die Erfüllung des Willens Gottes in all unseren Handlungen, die brüderliche Eintracht, der Eifer für die eigene Vervollkommnung und den Fortschritt in den anderen Tugenden, besonders in denen, die den Geist unseres Berufes ausmachen.

13.        — Christus  erniedrigte   sich  und  wollte unter die Sünder gezählt werden. Um ihn einigermaßen und, soweit es unsere Schwachheit gestattet, darin nachzuahmen, soll man freitags in Gegenwart aller dem Superior oder dessen Stellvertreter

seine Schuld bekennen, sowohl zuhause als auf Missionen. Die Ermahnungen und Bußen nehme man mit Gleichmut an. Auch behalten wir den Brauch bei, darum zu bitten, uns öffentlich im Kapitel auf unsere Fehler aufmerksam zu machen. Jeder suche dann im Geist der Liebe und der Demut die Mahnung zu geben.

14.        — Aber auch außerhalb des Kapitels wollen wir alle Gelegenheiten zur Verdemütigung ergreifen, um in der Liebe zur Erniedrigung zu wachsen und auf dem Weg der Vollkommenheit voranzuschreiten. Wenn daher der Superior am Ende der Betrachtung, der geistlichen Konferenz oder einer anderen gemeinsamen Übung einen aufruft, um ihn zurechtzuweisen, so soll dieser sich hinknien und mit innerer Bereitschaft die Mahnung anhören, die auferlegte Buße annehmen und getreulich verrichten.

15.        — Wegen der ständigen Arbeiten der Missionare ist es nicht ratsam, in dieser Regel körperliche Abtötungen und Strengheiten festzulegen. Aber wir wollen diese nicht abwerten, sondern sollten im Innern selbst danach verlangen. Ja, wenn unsere Gesundheit und unsere Arbeiten es erlauben, können wir sie auch selbst üben, wie es Jesus und die ersten Christen getan haben und wie es heute  noch viele Christen, auch außerhalb der Ordensgemeinschaften, in echter   Bußgesinnung tun. Nichtsdestoweniger soll man keine Bußübungen  

vornehmen,  ohne  den  Superior  oder  den Direktor um Rat zu fragen, abgesehen von den in der Beichte aufgelegten Bußübungen.

16. — Zu Ehren des Leidens Christi begnügen wir uns freitags  beim Abendessen  mit  einem Teller Gemüse oder Kräutern, ausgenommen auf Missionen und auf Reisen.

17. — Montag und Dienstag nach dem Sonntag Quinquagesima verzichten wir zuhause auf Fleischspeisen.

Durch diese gewiß sehr geringe Abtötung wollen wir Gott zu der Zeit ehren, in der der größte Teil der Christen ihn durch Ausschweifungen und Schwelgereien beleidigt.

18.        — Die bei uns übliche Tagesordnung gilt sowohl zuhause als auch auf Missionen. Das bezieht sich besonders auf die Zeit des Aufstehens und des Schlafengehens, die Betrachtung,  das  Stundengebet und die Mahlzeiten.

19.        — Ebenfalls wird zuhause und auf den Missionen während der ganzen Mahlzeit aus einem religiösen Buch vorgelesen. So werden Leib und Seele zugleich genährt.

20.        — Auch die anderen löblichen Gebräuche halten wir bei, namentlich folgende: Unmittelbar vor dem Verlassen des Hauses und nach der Rückkehr in die Kirche zu gehen und Christus im Sakrament zu grüßen; die Armen, besonders die Bettler im Katechismus zu unterweisen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet, vor allem, wenn man auf Reisen ist; beim Betreten und Verlassen unseres Zimmers niederzuknien, um Gott vor der Verrichtung anzurufen und ihm nachher zu danken.

21.        — Zusätzlich zu den in dieser Regel vorgeschriebenen

  frommen Verrichtungen  darf man keine anderen vornehmen, ohne dies dem Superior oder dem Direktor mitzuteilen. Man tue nur, was einem erlaubt wird. Wer sich nicht an diese Vorschrift hält, läuft Gefahr, seinem eigenen oder gar des Teufels Willen zu folgen. So könnte er zur Strafe für seine Unklugheit oder seinen Ungehorsam

von diesem unter dem Schein des Guten getäuscht werden und schließlich an seiner Seele Schaden erleiden.

XI. Kapitel

Die Missionen und die anderen Tätigkeiten der Kongregation der Mission zum Heil der Nächsten

1. — Unser Herr Jesus Christus gab seinen Jüngern Weisungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben. So befahl er ihnen, den Herrn der Ernte zu bitten, Arbeiter in seine Ernte zu senden (Mt 9,38); er deutete an, zu welchen Völkern sie sich begeben sollten (Apg 1,8), was sie unterwegs beobachten, in welche Häuser sie einkehren, was sie predigen, was sie essen und schließlich wie sie sich gegen die verhalten sollten, die sie nicht aufnehmen würden (Mt 10,14; Lk 9,5). Nun treten wir in ihre Fußstapfen, soweit es unsere Schwachheit uns gestattet.

Beobachten wir daher die folgenden Regeln über das rechte Verhalten auf Missionen und bei deren Seelsorgearbeiten und auch die diesbezüglichen Vorschriften, die bei uns herkömmlicherweise gegeben werden.

2.        — Wo immer sich die Gelegenheit bietet, wollen wir unseren Mitmenschen mit Rat und Ermahnung helfen und sie zum Gutes-tun aneifern, ohne aber eine eigentliche Seelenleitung zu übernehmen.

Diese soll nur im Rahmen von Exerzitien und Missionen ausgeübt werden und in den Häusern unserer Kongregation, denen die Seelsorge überertragen ist. Wohl kann der Superior einen damit beauftragen. Geben wir aber in keinem Fall schriftliche Unterweisungen und Lebensregeln. Auch das dürfte nur mit Erlaubnis des Superiors geschehen.

3.        — Niemand darf öffentlich predigen oder auf der Kanzel katechisieren, wenn er nicht vom Visitator dazu approbiert und vom Visitator oder dem unmittelbaren Superior damit beauftragt ist.

Man könnte sonst unseren Missionaren mit Recht das Wort des Apostels vorhalten: „Wie soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?" (Röm 10,15). Auf Missionen jedoch kann der Missionsleiter die Prediger und Katechisten auswechseln und andere an ihre Stelle setzen, wenn er es im Herrn für ratsam hält und wenn überdies beim Warten auf die schriftliche Antwort des Superiors Unzuträglichkeiten entstehen könnten. Nur muß er sobald wie möglich den Superior von dem Grund dieses Wechsels in Kenntnis setzen.

4.        — Sowie   es  uns nicht erlaubt ist, ohne Approbation durch den Ordinarius die Mitglieder der Genossenschaft oder die Auswärtigen beichtzuhören, so darf man auch, um jeden Mißbrauch zu verhüten, dieses Amt nur ausüben, wenn man vom Visitator dazu bestimmt und vom Visitator und vom Superior damit beauftragt wird.

5.        — Wer auf Mission geht, muß das Erlaubnisschreiben

des hochwürdigsten Herrn Bischofs, in dessen Diözese die Mission gehalten wird, bei sich tragen und es dem Pfarrer, bzw. dem Vorsteher der Kirche, wo er die Mission hält, vorzeigen. Bevor man nach Beendigung der Mission nach Hause zurückkehrt, legt man dem hochwürdigsten Herrn Bischof, wenn er es wünscht, von seinem Tun Rechenschaft ab. Vorher jedoch befrage man den Superior, damit er bestimmt, durch wen oder wie das geschehen soll.

6.        — Bei Beginn und am Schluß der Mission bittet man den Pfarrer oder in seiner Abwesenheit seinen Vikar um den Segen. Man tue nichts von einiger Wichtigkeit, ohne es ihm mitzuteilen, und hüte sich, etwas gegen ihren Willen zu tun.

7.        — Um niemand lästig zu fallen, arbeitete der heilige Paulus Tag und Nacht mit seinen eigenen Händen für seinen Unterhalt und den seiner Mitarbeiter.

Nach seinem Beispiel wollen auch wir bei unseren Missionen keinem zur Last fallen, sondern alle unsere Arbeiten umsonst und ohne allen zeitlichen Entgelt oder Unterhalt verrichten. Eine Unterkunft jedoch und die notwendige Einrichtung können wir annehmen, wenn sie uns angeboten werden.

8.        — Jeder sollte von Verlangen brennen, mit dem Besuch der Kranken und der Beilegung von Zwistigkeiten und Prozessen beauftragt zu werden, besonders bei den Missionen, ja, man darf sogar

demütig darum bitten, wo es die Sachlage erfordert.

Trotzdem darf man keine derartigen Werke der Barmherzigkeit ohne Erlaubnis des Superiors übernehmen; denn die Liebe muß durch den Gehorsam wohlgeordnet sein.

9.        — Fragen über Gewissensfälle, die im Beichtstuhl vorkommen,

müssen mit größter Klugheit und Vorsicht vorgebracht werden, so daß man niemals die Person, um die es sich handelt, erkennen kann. Und zur Vermeidung der Übel, die daraus entstehen könnten, soll man Fragen über wichtige Gewissensfälle nur vorlegen, wenn man den Missionsleiter um Rat gefragt hat.

10.        — Den Namen „Missionar" oder „Missionspriester" haben wir uns nicht angemaßt, sondern durch Fügung der göttlichen Vorsehung haben ihn uns die Leute gegeben. Das zeigt zur Genüge, dass die Missionen unter allen Arbeiten für unsere Mitmenschen die erste und wichtigste Aufgabe sind. Darum darf die Genossenschaft sie niemals unter dem Vorwand eines anderen, wenn auch nützlicheren Werkes aufgeben. Vielmehr soll sich jeder ganz dafür einsetzen, so daß er bereit ist, jedesmal auf Mission zu gehen, wenn es der Gehorsam von ihm verlangt.

11.        — Die Leitung von weiblichen Ordensgemeinschaften würde die Missionen und andere Verpflichtungen unserer Genossenschaft stark beeinträchtigen. Deshalb müssen wir sie ablehnen. Man darf sie also nicht besuchen oder dort predigen selbst nicht während einer Mission, wenn man nicht die ausdrückliche Erlaubnis des Superiors oder des Missionsleiters hat. Allerdings ist unsere Genossenschaft mit der Leitung der Töchter der christlichen Liebe und der Caritasvereine nach deren eigenen Konstitutionen betraut. Aber auch hier darf man nur mit Erlaubnis des Superiors die Leitung übernehmen oder zu ihnen hingehen und mit ihnen sprechen.

12. — Im übrigen wird man einsehen, daß wir die Aufgaben, die wir zuhause zu verrichten haben, nicht unter dem Vorwand der Mission unterlassen dürfen, also die für auswärtige Geistliche, besonders

die Ordinanden, die Seminaristen und andere, die wir in ihrer geistlichen Einsamkeit leiten. Das eine soll man tun, das andere nicht unterlassen; denn aufgrund unserer Berufung sind wir fast in gleicher Weise, wenn die Bischöfe oder die Obern uns rufen, an beide Verpflichtungen gebunden, obgleich die Missionen den Vorrang haben. Eine lange Erfahrung beweist, daß die guten Wirkungen der Mission ohne die Mithilfe der Pfarrer nicht andauern.

Und zu deren Vervollkommnung tragen die eben genannten Arbeiten bei. Geben wir uns so von ganzem Herzen Gott hin, um sie in rechter Weise zu verrichten. Zu diesem Zweck halte man sich genau an die Weisungen, die die Obern hierfür erlassen.

XII. Kapitel

Hilfen zur guten und nützlichen Verrichtung unserer Aufgaben.

1.        — Zu Anfang dieser Regeln oder Konstitutionen hatten wir uns vorgenommen, unsern Herrn Jesus Christus nachzuahmen, der „begann zu handeln und zu lehren" (Apg 1,1). In diesem letzten Kapitel wollen wir ihm auch darin nachfolgen, daß er „alles gut getan hat "(Mk 7,37); denn was immer wir Gutes tun mögen, wenn wir es nicht gut tun verdienen wir eher Strafe als Lohn. Deshalb erscheint

es passend, noch einige Vorschriften und Mittel anzufügen, die uns helfen können, unsere Aufgaben „gut" zu verrichten. Alle unsere Missionare mögen sie sorgfältig anwenden.

2.        — Bemühen wir uns bei unseren Verrichtungen, besonders beim Predigen und den anderen Berufsaufgaben, soweit es an uns liegt, um eine reine Absicht, d.h. die alleinige Ausrichtung auf Gott. Man muß diese Meinung von Zeit zu Zeit erneuern, besonders zu Beginn einer Handlung. Seien wir wachsam; denn allzu leicht schleicht sich der Wunsch ein, den Menschen zu gefallen oder einen natürlichen Trieb zu befriedigen, und das könnte die heiligste Handlung entwerten und zunichte machen nach der Lehre Christi: „Wenn ein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein" (Lk 11,34).

3. — Nach dem Ausspruch des Apostels kommt es manchmal vor, daß man zwar im Geist anfängt, dann aber im Fleisch endet (vgl. Gal 3,3). Das geschieht gewöhnlich, wenn wir uns törichterweise in dem eitlen Wohlgefallen weiden, das sich nach einer Handlung einstellt, die uns unter dem Beifall der Leute gelungen ist, oder wenn wir bei einer weniger geglückten Handlung so niedergeschlagen sind mißmutig sind, daß wir uns nicht beruhigen können.

Um dem ersten Übel zu begegnen, wollen wir uns die Wahrheit vor Augen halten, daß alle Ehre Gott gebührt, uns aber nichts als Beschämung. Würden wir uns an solchem Beifall berauschen, dann müßten wir fürchten, dereinst die Worte Christi zu hören: „Amen, das sage ich euch: Ihr habt euren Lohn bereits empfangen" (Mt 6,2).

Das Heilmittel gegen das andere Übel ist echte Demut und Liebe zur eigenen Erniedrigung, die Gott uns dann abverlangt. Dabei wollen wir bedenken, daß dem Namen Gottes durch das geduldige Ertragen solcher Widrigkeiten oft ebenso viel Ehre und dem Nächsten ebenso großer Nutzen erwächst wie aus unseren Predigten, die den Leuten gefallen und dem Anschein nach Frucht tragen.

4. — Diese beiden dem Prediger so gefährlichen Übel, nämlich eitle Selbstgefälligkeit und übermäßige Unruhe, rühren auch von dem Lob und dem Tadel her, die wir beim öffentlichen Auftreten ernten. Deshalb wollen wir unsere Mitbrüder, zumal in ihrer Gegenwart, wegen seltener natürlicher oder erworbener Fähigkeiten nicht loben, vor allem nicht wegen ihrer Predigten, die sie mit Beredsamkeit

und unter dem Beifall der Leute halten. Aber auch tadeln wollen wir sie nicht, etwa wegen des Mangels an Wissenschaft oder Beredsamkeit oder wegen anderer Unzulänglichkeiten, die man in ihren Predigten feststellt.

Nun kann es allerdings einmal sein, daß einen wegen seiner Schüchternheit ein Lob oder einen anderen zur Zügelung seines eitlen selbstbewußten Rededranges ein Dämpfer ganz heilsam wäre. Das ist dann Sache des Superiors, der auch einen Mitbruder beauftragen kann, es mit Klugheit und unter vier Augen zu tun. Es soll aber nicht verboten sein, einen Mitbruder wegen seiner Demut, seiner Abtötung, seiner Einfalt und ähnlicher Tugenden zu loben, auch wenn man sie bei seiner Art zu predigen festgestellt hat. Aber auch hier gilt: Alles mit Maß und Umsicht, nur in seiner Abwesenheit und vor Gott.

5.        — Einfalt muß immer und überall die erste und eigentliche Tugend eines Missionars sein. Vor allem gilt das bei den Missionen, zumal auf der Kanzel, wenn wir dem Landvolk das Wort Gottes

verkünden; denn zu ihnen als zu einfältigen Leuten will Gott durch uns reden (Spr 3,32 — alter Vulgatatext).

Die Sprache unserer Predigten und Katechesen sei also einfach und dem Verständnis des Volkes angemessen.

Auch wollen wir uns der einfachen Methode bedienen, die bis jetzt bei uns gebräuchlich ist. Eine weichliche und geschraubte Redeweise lehnen wir ab. Hüten wir uns auch, auf dem Lehrstuhl der Wahrheit ausgefallene und allzu gesuchte Gedanken und unnütze Spitzfindigkeiten vorzubringen, indem wir auf Christus und seine Jünger schauen, die sich einer einfachen Redeweise bedienten und so eine reiche Ernte und vielfältige Frucht erzielten.

6.        — Auch bei der Leitung der Priesterseminaristen und Ordinanden, bei Vorträgen für die Pfarrer und andere Geistliche und bei dergleichen Aufgaben bedienen wir uns dieser einfachen und volkstümlichen Sprache. Es geht ja nicht vor allem darum, ihnen Wissen zu vermitteln, sondern vielmehr durch Wort und Beispiel ihre Frömmigkeit zu vertiefen. Überdies wollen wir ihnen mit aller Demut, Sanftmut, Hochachtung und Freundlichkeit begegnen.

All das gilt entsprechend auch für diejenigen, die Exerzitien geben.

7.        — Lassen wir uns nicht von neu auftauchenden und

ungewöhnlichen Meinungen einnehmen, die ihren Urhebern und Anhängern meist schaden. Vielmehr sollten wir im Unterricht, im Reden und Schreiben möglichst übereinstimmen, so daß wir nach dem Apostel alle „dieselbe Meinung und Gesinnung" (vgl. Phil 2,2)

und auch dieselbe Sprache haben.

8.        — Der heilige Zeno sagt: „Die Neugierde macht schuldig, nicht erfahren", und nach den Apostel „macht die Erkenntnis aufgeblasen" (1 Kor 8,1). Das ist besonders der Fall, wenn man sich nicht an seinen Rat hält, „nicht höher von sich zu denken, als es sich geziemt, sondern bescheiden von sich zu denken" (Röm 12,3). Alle müssen daher

wachsam sein, besonders aber die Studenten, daß sich nicht eine ungeordnete Wißbegier in der Seele breit macht. Andererseits sollen sie sich mit Eifer auf die Studien verlegen, die zur rechten Erfüllung

der missionarischen Aufgaben notwendig sind. Nur muß es ihre Hauptsorge bleiben, die Wissenschaft der Heiligen zu erlernen, die in der Schule des Kreuzes gelehrt wird. Sie sollen schließlich nichts

anderes zu verkündigen wissen als Jesus Christus, nach dem Beispiel des Apostels, der auch im Brief an die Korinther freimütig bekennt, „er habe sich entschlossen, bei ihnen nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten" (1 Kor 2,2).

9. — Unter allen Grundsätzen des Evangeliums, die den Arbeitern im Weinberg des Herrn nötig sind, muß uns der folgende besonders teuer sein: Wer unter euch der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein" (Mk 9,35). Denn sollte einmal die Kongregation von der Befolgung dieser Vorschrift abweichen, dann würde sie bald durch die in ihr um sich greifende Ehrsucht zerfallen.

Diese schleicht sich nämlich sehr leicht in den von Natur zum Hochmut neigenden Menschen ein und treibt ihn zu vielem Bösen an, vor allem zum Streben nach ehrenvollen Ämtern sowie zum Neid gegen die, die dazu befördert werden.

Oder wenn sie zu diesen Würden erhoben werden, suchen sie darin ihre Befriedigung. Verführt und getäuscht durch den trügerischen Glanz der eitlen Ehre, worauf sie allein ihren Blick heften, sehen sie nicht den nahen Abgrund, in den sie schließlich elendig stürzen. Nichts muß uns daher mehr am Herzen liegen, als diesem Ungeheuer des Hochmuts zu entgehen.

Sollte aber nun der Ehrgeiz schon unser Herz eingenommen haben, dann müssen wir ihn nach dem Rat des Herrn, wovon oben die Rede war sogleich durch einen aufrichtigen Akt der Demut daraus vertreiben. Wir müssen uns also bemühen unsere Armseligkeit in den Blick zu bekommen und sehnlich nach dem letzten Platz verlangen. Aber vielleicht werden wir gewahr, daß wir wegen der Ämter und Ehrenstellen, die wir inne haben, schon von der Eitelkeit angesteckt worden sind; dann ist das Mittel dagegen, sobald wie möglich jedoch mit Unterwürfigkeit, den Superior zu bitten, uns dieser Ämter zu entheben und uns einen niedrigeren Dienst zu übertragen.

10. — Suchen wir mit besonderer Sorgfalt die ersten Regungen des Neides zu unterdrücken, die daher kommen könnten, daß andere Gemeinschaften mehr Ehre, mehr Ansehen bei den Menschen genießen und ehrenvollere Arbeiten haben als wir. Seien wir fest davon überzeugt, daß nichts daran liegt, durch wen Christus verkündet wird, wenn er nur verkündigt wird (vgl. Phil 1,10), und daß uns ebenso viel, ja sogar oft noch mehr Gnade und Verdienst zuteil werden, wenn wir uns an den guten Werken anderer erfreuen, als wenn wir sie selbst mit eitler Selbstgefälligkeit oder mit einer weniger vollkommenen Absicht verrichten. Machen wir uns die Gesinnung Moses zu eigen. Als man ihn bat, den Reden gewisser Propheten zu wehren, rief er aus: „Wenn nur das ganze Volk zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!" (Num 12,29).

Überhaupt wollen wir alle anderen Kongregationen für viel

würdiger erachten als die unsrige, wenn wir auch an dieser mit größerer Zuneigung des Herzens hängen sollen. Ein gutes Kind liebt ja seine eigene Mutter, mag diese auch arm und häßlich sein, viel mehr als alle anderen, so reich und schön sie auch sein mögen. Diese innige Liebe darf sich aber nur auf die Personen, die Tugenden und Gnaden dieser unserer Gemeinschaft beziehen, und nicht auf das, was es in ihr Angenehmes gibt und was ihr den Beifall der Menschen erwirbt. Dies sollen wir nachdrücklich hassen und fliehen. Das gilt nicht nur für den einzelnen in dem, was ihn persönlich betrifft, sondern für die Kongregation als ganze. Wir wollen nicht einmal wünschen, daß sie bei den Leuten Aufmerksamkeit und Beifall findet, sondern vielmehr, daß sie gedemütigt wird und im Herrn verborgen ist (vgl. Kol 3,3). Sie ist ja jenes Senfkörnlein, das nicht wachsen und Frucht bringen kann, wenn es nicht gesät und in der Erde verborgen wird (Mt 13,31 f).

11. — Es   gibt   noch   zwei   entgegengesetzte Fehler, die gegen den Geist der Kongregation der Mission verstoßen. Sie sind um so verderblicher, je weniger sie es scheinen, weil sie sich erst allmählich in ihrer wahren Gestalt zeigen. So hält man sie oft für echte Tugenden. Es sind der Geist der Trägheit und der unkluge Eifer.

Der Geist der Trägheit schleicht sich nach und nach beim Menschen ein, indem er vorgibt, man müsse für die Erhaltung des Leibes Sorge tragen um zum Dienst Gottes und zur Seelsorge tüchtiger zu sein. So verleitet er uns zum Wohlleben und schreckt uns von der mit der Übung der Tugend verbundenen Mühe ab. Diese stellt er uns als viel zu groß dar.

So kommt es dann, daß uns die Tugend, die doch an sich von allen geliebt werden sollte, fast hassenswert erscheint. Auf diese Weise lenken wir den Fluch auf uns, den der Heilige Geist über die ausgesprochen hat, die das Werk Gottes lässig oder nur zum Schein betreiben (Jer 48,10). Der andere Fehler, mit dem wir unsere Eigenliebe und unsere Ungeduld tarnen, treibt uns zu übermäßiger Strenge gegen die Sünder und gegen uns selbst oder zur Übernahme von Arbeiten, die über unsere Kräfte gehen und wodurch wir selbst gegen den Gehorsam verstoßen, zum Schaden der Seele und des Leibes. Später verwickelt er uns dann in ein heftiges Suchen nach Heilmitteln und macht uns auf diese Weise träge und fleischlich.

Diese beiden Extreme zu meiden und immer die richtige Mitte einzuhalten, dazu verhelfen uns ohne Zweifel die genaue Beobachtung unserer recht verstandenen Regeln oder Konstitutionen sowie

„die Lippen derer, die die Erkenntnis bewahren" (Mal 2,7).

In ihren Händen ist durch besondere Fügung Gottes unsere Seele. Wir müssen nur mit Demut und Vertrauen, sooft es nötig ist „das Gesetz aus ihrem Munde erfragen" (Mal 2,7), und uns ihrer Leitung in jeder Hinsicht vollkommen unterwerfen.

12. — Wir sollen zwar immer mit den Tugenden, die den Geist eines Missionars ausmachen, ausgerüstet sein; doch müssen wir uns besonders zu der Zeit damit wappnen, wo wir unsere Berufsaufgaben bei den Landleuten ausüben. Wir sollen sie dann als die fünf glatten Steine Davids betrachten, mit denen wir schon beim ersten Wurf den höllischen Goliath im Namen des Herrn der Heerscharen treffen und besiegen und die Philister, d.i. die Sünder, dem Dienst Gottes unterwerfen. Das wird uns aber nur gelingen, wenn wir die Waffen Sauls ablegen und die Schleuder Davids gebrauchen (vgl. 1 Sam 17,40), wenn wir also an die Verkündigung des Evangeliums gehen nicht „mit Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern mit dem Erweis von Geist und Kraft" (1 Kor 2,4), sei auch unsere Rede unscheinbar. Bedenken wir, daß Gott nach demselben Apostel das Schwache, das Törichte, das Verachtete in der Welt erwählt, um die Weisen dieser Welt und alles Starke zuschanden und zunichte zu machen (vgl. 1 Kor l, 27 f). Demnach dürfen wir, obwohl unwürdige Arbeiter, doch hoffen, daß er uns in seiner unendlichen Güte die Gnade geben wird nach unserer bescheidenen Kraft zum Heil der Menschen, besonders der armen Landleute mitzuwirken.

13. — Bringen wir den Regeln und Konstitutionen Ehrfurcht und Liebe entgegen, auch denen die uns unbedeutend vorkommen. Betrachten wir sie als Hilfsmittel, die Gott uns an die Hand gegeben hat, damit wir die unserem Beruf geziemend Vollkommenheit erlangen und so leichter und mit mehr Nutzen wirken können. Erwecken wir des halb oft ein glühendes und großmütiges Verlangen sie treu zu beobachten. Wenn aber einzelne unserer Einsicht und unserem Empfinden widerstreben, dann wollen wir uns gleich überwinden und unsere Natur besiegen, indem wir die Worte Christi erwägen, daß „das Himmelreich Gewalt leidet und nur die, welche Gewalt brauchen, es an sich reißen" (Mt 11,12).

14. — Jeder Mitbruder soll ein Exemplar dieser Allgemeinen Regeln oder Konstitutionen in die Hand bekommen, ggfs. auch das der besonderen Regeln, die sich auf ein Amt beziehen, damit sie sich tiefer seinem Gedächtnis und seinem Geist einprägen und genauer beobachtet werden. Er soll sie alle drei Monate lesen oder anhören, recht zu verstehen suchen und einige Male im Jahr den Superior wegen der dagegen begangenen Fehler um eine Buße bitten, um durch diese Verdemütigung leichter vom Herrn Verzeihung für die Verstöße zu erlangen und neue Kräfte gegen einen Rückfall zu schöpfen.

Sollte jemand bemerken, daß ein Mitbruder in der Beobachtung dieser Regeln Fortschritte gemacht hat, dann möge er Christus, dem Herrn, danken und ihn bitten, ihm selbst und der ganzen Kongregation die Gnade zu verleihen, sie auch in Zukunft treuer zu beobachten.

Schließlich seien wir fest davon überzeugt, daß wir nach den Worten Christi, auch wenn wir alles getan haben, was uns befohlen wurde, sagen sollen:

Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan (vgl. Lk 17,10), ja wir hätten ohne ihn überhaupt nichts tun können (vgl. Joh 15,5).

INHALTSVERZEICHNIS  DER ALLGEMEINEN REGELN UND

KONSTITUTIONEN (1658)

Brief des Hl. Vinzenz   ……………..     107

Kapitel I     –   Ziel und Verfassung der CM   ….     111

Kapitel II    –   Grundsätze des Evangeliums   ….     113

Kapitel III  –   Die Armut    …………..     125

Kapitel IV  –   Die Keuschheit  …………     128

Kapitel V    –  Der Gehorsam   ………………………………..     130

Kapitel VI  –   Die Kranken   …………………………………..     135

Kapitel VII –   Die Bescheidenheit    ………………………     137

Kapitel VIII –  Der Umgang miteinander    ………………     139

Kapitel IX –   Der Umgang mit den Auswärtigen  ……………     145

Kapitel X   –   Die religiösen Übungen der CM    . ….……..     149

Kapitel XI – Die Missionen und die anderen Tätigkeiten

der CM zum Heil der Nächsten ………………………………..158

Kapitel XII –   Hilfen zur guten und nützlichen

Verrichtung unserer Aufgaben   ……………………………………..     164

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